Jaden

 

 

 Liebe Miriam,

mein erster Gedanke, auf dem Weg von unserem Gespräch nach Hause ist eine Liedzeile:

 

So let my eyes to be your mirrow, and you`re bound to see it too!

 

Ich wünschte, du könntest dich wenigstens einen kleinen Augenblick durch meine Augen sehen, sehen, was ich sehe, erkennen, was ich erkenne.

 

Eine Großartigkeit, für die jedes Wort zu klein ist.

 

Manchmal passiert es, das einfach Worte kommen, wenn ich in Gedanken an die gemeinsamen Momente bin. Diese hier kamen und widme ich dir und Jaden:

 

Loslassen

 

ein Leben lang mithalten

durchhalten

aushalten;

will anhalten

Halt finden.

nicht festhalten,

doch festhalten.

für möglich halten;

loslassen

 

 

Wir sitzen draußen, es ist ein windiger Tag. Du bist ein wohlfühl-Gesprächspartner, man hört dir gerne zu, kannst gut erzählen, wahrnehmen, Worte finden, für dass, was du erlebst.

 

Es ist, als ob du einen Standpunkt gefunden hast, von dem aus man einen gut Blick auf das hat, was sowohl um einen herum und in auch im Innen passiert.

 

Es macht einfach Spaß, ist bereichernd, leicht und schwer zugleich, voll von gutem Humor.

 

Vielleicht von der Art, der an der Stelle anfängt, wo der Spaß aufhört... Wir sind von Sekunde eins an mitten im Gespräch.

 

Ich kenne dich über deinen Sohn Jaden, 10 Jahre alt. Er hat noch 2 ältere Schwestern (12 und 14), deren Geschichten es nicht minder wert sind, erzählt und gehört zu werden.

 

Ich werde sie hier ausklammern, aber nur mit dem Fingerzeig, dass du auch für diese beiden kleinen Menschen, die schon in so jungen Jahren schwere Päckchen zu tragen haben, mit Löwenherz und mütterlicher Übermenschlichkeit Mut und Kraft gibst. Hilfst. Stützt. Sorgst. Kümmerst.

 

Wenn es im Folgenden nun um Jaden geht, sei dies nicht vergessen.

 

Hier ist die Diagnose, mach was draus.

 

„Bei mir gab es irgendwann den Punkt, an dem ich gemerkt habe, ich muss für mich was ändern, Die Kinder waren da anderthalb, zweieinhalb und viereinhalb.“

 

Ich halte innerlich die Luft an, versuche das Gesprochene zu erfassen, ahne nur und kann es wie so oft nicht in Worte fassen.

 

Du änderst dein Leben. Lässt die Kinder nicht alleine. Trennst dich von deinem Mann. Der wohnt noch ein halbes mit im Haus.

„In dieser Zeit fing es an, dass Jaden nachts wach wurde. Das war so untypisch für ihn.

 

Ich habe dann nachts mit ihm gespielt, mich gewundert denn Jaden war von Anfang an immer der einfachste von den Kindern.“

 

Bis zu diesem Tag ist er völlig normal entwickelt, hat gesprochen, hat auf alles normal reagiert, einen angeguckt.

 

In dieser Phase „passiert“ die Veränderung:

 

„Jaden war dann von einem Tag auf den anderen „weg“.

Das Kind, was ich bis dahin hatte, gab es nicht mehr.“

 

Es folgt ein Besuch beim Kinderarzt, auf die Beschreibung der Beobachtungen, dass da was nicht stimmt, gibt es wie so häufig erst mal die Antwort: „Jungs sind später dran…“

 

Das widerspricht deinem inneren Gefühl und obwohl du dich mit Autismus zu diesem Zeitpunkt gar nicht auskennt, weißt du, dass das bei deinem Sohn Autismus ist und gehst der Sache weiter nach.

 

Im Ägidienhof, einem Ärztezentrum, braucht man 3 Sitzungen um das Gefühl zu bestätigen.

 

Die Diagnose ist der Moment, in dem sie dir den Boden unter den Füßen wegziehen:

 

„Die sagten mir, er wird mich nie von anderen unterscheiden können, er wird nie sehen, ob ich lächel oder weine ich, er wird niemals alleine leben können, er wird niemals irgendeine Mimik ablesen können.

 

Als ich da raus kam, war ich erst mal völlig fertig.

Ich habe 5 Minuten braucht, 5 Minuten voller „Rotz und Wasser“.

 

Dann hast du dir selber Einhalt geboten: „Nein, ich kenne mein Kind besser als die.

 

So, und dann gibt es ja viele Eltern, die anfangen, im Internet zu lesen.

 

Das hab ich gar nicht gemacht, weil ich mir immer dachte: ich konzentriere mich auf Jaden, so wie er ist, und guck dann, was ich draus mache.

 

Mit gut 2 Jahren war Jaden wie eine Puppe. Den hat man hingesetzt, er hat ins Leere gestarrt, keine Laute von sich gegeben – nichts.

 

Kein Schlafrhythmus mehr, nachts wach, tagsüber geschlafen.

Keine Chance, daran etwas zu ändern – ist mit Essen im Mund am Tisch eingeschlafen.

Nachts hat er dann sein Zimmer verwüstet, den Kleiderschrank vor die Tür geschoben, sein Bett auf den Kopf gedreht.“

 

Über Jahre begleiten dich noch Vorwürfe, die Frage, ob du Schuld an Jadens Autismus bist, nagt an dir. Das in der Dauerbelastung damals Jaden übersehen wurde, und dass er deshalb „weg“ war.

 

Der Vater wollte Jaden eigentlich nie haben, vor der Geburt nicht, nach der Geburt nicht und als klar wurde, das Jaden „anders“ ist, wollte er ihn schon gar nicht.

 

Er macht dir das Leben schwer, bis zur endgültigen Trennung. Das Verhältnis bleibt schwierig.

 

„Aber es ändert ja alles nichts und wir meistern das. Ich möchte keinen Raum für Hass und schlechte Gefühle geben.“

 

Verschiedene Gerichtsverfahren werden geführt. Eine Sache, die schon per sé unendlich viel Kraft und Nerven kostet, auch wenn sonst alles „einfach“ wäre...

 

Mit Jaden geht es weiter nach Pelzerhaken, sie hofft dort auf eine Prognose, Informationen, was er braucht, was nicht.

 

Jaden erweist sich als ganz spezieller Fall, die Ärzte können nicht genau sagen, in welche Richtung er sich entwickelt. In manchen Tests ist er seinem Alter weit voraus, in anderen weit zurück.

 

Eine Einschätzung ist schwierig, weil er auf manche Tests wohl einfach keinen Bock hat. Man bekommt ihn nicht motiviert.

 

„Mit der Diagnose ist es wie mit dem Behindertenausweis, du bekommst ihn und musst aber selbst herausfinden, wofür das nun gut ist und was man damit machen kann.

 

So ist das mit allem gewesen. Selbst herausfinden, über die Jahre.

 

Hier ist die Diagnose, mach was draus.“

 

Leider sind die meisten mit negativ geprägten Aussagen unterwegs. Was das Kind NICHT können wird, wo es Störungen hat, nicht funktioniert, nicht wertvoll ist usw.

 

Es gibt wenige Ausnahmen, vielleicht sind sie deswegen hängen geblieben.

 

Es sind Sätze wie „Ich glaube daran, dass solche Kinder sich ihre Eltern aussuchen und das Jaden sich genau die richtige Mama ausgesucht hat.“

 

Die -wider erwarten- super Zeit in Pelzerhaken. „Das war ein total geschützter Raum, man musste sich für nichts rechtfertigen, man durfte sein, es durfte sein, was gerade war.

 

Das Kind wurde als erkannt, obwohl er sein autistisches Verhalten an den Tag gelegt hat.“

 

Fängst an zu begreifen, dass du keine Therapeutin bist, weder für Ergo noch für Logo oder sonst was. Sätze wie „sie sind die Mama und den Job machen sie schon ganz gut! Und alles andere, dafür sind sie gar nicht zuständig“ tragen.

 

Es sind die wenigen Stimmen der Anerkennung, für das, was du leistet und wie du es leistet.

 

Die kleinen Erfolge, sind ganz großes Kino!

 

Jaden gibt ca. 2 Jahre lang keinen Ton von sich, deswegen liebst du sein Lautieren, auch wenn es andere nervt. Seine Stimme wieder hören.

 

Er toleriert inzwischen, dass jemand im selben Raum mit ihm etwas isst. Seine Blicke in die Augen, kein Weglaufen mehr. Kleine Schätze, die er einem zuwirft, mit denen er sagt: Guck mal Mama, es geht!

 

Es sind diese Augenblicke, die einen in den Moment holen, ins hier und jetzt, voller nur Freude. Oder Wut. Oder Trauer. Oder Glück. Immer echt.

 

Wie nehmen uns vor, in solchen Momenten ein wenig anzuhalten, sich Zeit dafür zu nehmen. Aufsaugen. Zulassen. Raum geben. Zeitlosigkeit erleben. Das Drumherum zu vergessen. Herrlich.

 

..dieser kleine Junge, der früher vor mir hopsend getanzt hat, und ja, und Mama und so gesagt hat, der ist ja auch noch irgendwo da drin.“

 

Nächstes Thema.

 

„Das ist auch immer so eine super schwere Frage: Wie kommunizieren sie denn mit ihm?

 

Man sitzt da immer und denkt `wie kommuniziere ich denn mit ihm? Weil man selber ist da so rein gewachsen und es ist ganz schwierig anderen begreiflich zu machen, wie diese Kommunikation stattfindet.

 

Abseits von Worten, man fühlt es, derjenige strahlt es aus, es ist in der Art der Bewegungen, wie flüssig sind sie... das ganze Paket eben, das sieht man doch!“ Wenn man Augen hat, die Sehen.

 

„Ist irre schwer, das jemandem klar zu machen. Zuhören auf besondere Weise. Fremdsprache lernen. Geheimsprache. Die können sie einfach!

 

Die Kommunikation findet einfach auf einer anderen Ebene statt.

 

„Jaden ist mein Seelenverwandter. Die Mädchen sind mein Herz, ich weiß, die muss man loslassen, je älter sie werden. Und Jaden ist – wenn ich Kraft brauche, geh ich zu Jaden und bin im ganz nah.

 

Und das ist so besonders, weil es einfach ehrlich ist.

 

Da wird NIE was vorgespielt.

Da wird es nie ein „dir zu liebe“ geben, das ist ihm sch...egal, wenn er nicht will, drückt er mich weg und wenn er mag, ist er ganz vorsichtig, mit so einer tiefen, nicht verletzenden Ehrlichkeit.

Da tanke ich einfach so viel.

 

Wenn ich weine, kommt er nicht damit klar. Das erinnert mich an eine Situation mit meinem Vater.

Letztes Jahr hat Jaden uns richtig überrascht.

 

Mein Vater lag schon im Sterben und hatte nicht mehr viele klare Momente. Wir haben beschlossen, die Kinder dürfen nochmal kommen, alle, um sich zu verabschieden, auch weil wir ihnen „den Rest“ ersparen wollten. Die haben schon verstanden, der Opa hat sich verändert.

 

Das war schon genug. Und Jaden, von dem die meisten ja denken, er bekommt nix mit, hat dann Tschüs gesagt.

 

Mein Vater lag schon im Bett und Jaden hat im hinausgehen innegehalten, sich umgedreht und ist nochmal zurück und hat meinen Vater mit den Augen fixiert. Und mein Vater ihn auch.

 

Und in dem Moment hat man gespürt, die haben sich verabschiedet.

 

Das war so krass, Jaden wusste ganz genau, worum es da gerade geht und das er den Opa nicht wieder sieht.“

Er hat den Moment erfasst. Gespürt.

 

Je älter er wird, desto mehr lässt er Nähe zu.

 

Es ist so schade, Ich hab ganz viele Jahre auch immer gedacht, dieser kleine Junge, der früher vor mir hopsend getanzt hat, und ja, und Mama und so gesagt hat, der ist ja auch noch irgendwo da drin.

 

Der wird aber von der Außenwelt so völlig – quasi abgesprochen (nicht nur übersehen oder nicht gesehen, sondern abgesprochen).

 

Er ist oft „nur Autist“ und das finde ich ist so schade, wenn er immer als das Kind gesehen wird, vor dem man aufpassen muss, weil er immer schnell ausrastet.

 

Aber er ist ja auch noch Junge.“

 

Du suchst nach den richtigen Worten, für den Gedanken, „Natürlich muss man mit solchen Menschen anders umgehen, das ist ganz klar, ich muss natürlich immer gucken, wo ist seine Grenze, dann muss ich ihn raus ziehen, aber wenn ich ganz ehrlich bin, das tue ich bei meinen anderen Kindern auch.

 

Und sollte man mit sich selber auch viel öfter tun!“

 

Nur die Grenzen sind eben andere.

 

Oder vielleicht kann man auch sagen, dass Jaden anders auf seine Grenzen reagiert – während wir sie (zu) weit überschreiten können, kann er das eben nicht.

 

Sie kramt weiter in der Kiste "EIGENTLICH UNBESCHREIBLICH":

 

„Und das ist so,... für Jaden muss ich einfach da sein. Will ich da sein.

 

Du äußerst deine Sorge, dass, wenn dir was passieren würde, müssten die Mädchen zum Vater und Jaden würde in der schlechtesten Einrichtung landen, die auffindbar wäre. Dem Vater ist Jaden peinlich, er ist kein „Vorzeigekind“.

 

Woher kommen solche Gedanken? Bietet die Gesellschaft den Nähboden?

 

„Natürlich zieht man Aufmerksamkeit auf sich. Wir hatten auch schon eine Situation mit ihm, da war ich mit ihm im `SeaLife` und es war so voll, da habe ich ihn mit einer Art Leine an mir fest gemacht, damit er mir nicht stiften geht. Jetzt bleibt er ja bei mir, aber viele Jahre ist er ja einfach losgelaufen.

 

Frei nach dem Motto: Ich lauf und ihr findet mich schon. Keine leichte Aufgabe.

 

Und da mussteich mir auch Sprüche anhören `Guck mal, die geht mit ihrem Kind spazieren wie mit einem Hund.`

 

 

Oder die gemurmelten Kommentare, warum ein so großes Kind noch in der Karre sitzt.

Man denkt dann nur „Halt doch einfach die Klappe“. Sie wissen nichts. Ich wünsche mir, dass das niemand erfahren muss.“

 

Du erzählst mir, dass es auch Ablehnung innerhalb der Familie gegeben hat, Jaden wurde zum Beispiel explizit von Familienfesten ausgeladen.

 

Wer dieses Wunder nicht sieht, der hat es einfach auch nicht verdient

 

Ein tiefes Luft holen, als ob sich die richtigen Worte einatmen lassen:

„Jaden ist für mich… die Mädchen haben mir meine Kindheit nochmal vor Augen geführt, durch das gemeinsame Spielen in der „Mädchenwelt“, man hat wieder das spielen gelernt.

 

Und Jaden hat mir die Welt irgendwie nochmal durch eine ganz andere Sicht gezeigt, eine andere Welt.

 

 

Durch Jaden konnte ich den Teil, den die Gesellschaft auch von mir nie haben wollte, der nie zugelassen wurde, weil er als schwach oder naiv galt, den lebe ich mit Jaden.

 

Man kann das so schwer in Worte fassen, aber das ist wie eine Zauberwelt. Es ist vielleicht nicht dieselbe Zauberwelt, seine und meine, aber so dicht nebeneinander.

 

Viele denken immer, Jaden ist derjenige, der mich runter zieht, der körperlich die Belastung ist, aber das ist es nicht. Es sind eher die „Außenmenschen“.

 

Die, von denen man eigentlich denken und erwarten könnte, dass sie eine Säule, Stütze sind, weil sie stärker sind.

 

Was ich mir eigentlich nur wünsche ist Frieden. Innen und außen.“

 

Jemandem die Welt, die in einem ist zu zeigen, zu erklären, verständlich zu machen kostet viel Kraft und Energie. Manchmal zu viel. So bleibt vieles im Verborgenen, tief drinnen.

 

„Mit dem Geschenk Leben kann ich schwer umgehen“, sagst du. Deswegen ist diese Zauberwelt, die durch Jaden ins Leben gekommen ist so kostbar.

 

Dorthin kann sonst niemand folgen. Dort geht alles leicht, ist einfach. Niemand da, mit dessen Ansprüchen und Erwartungen man zurecht kommen muss. In Sicherheit.

 

Eine Auszeit nehmen, das wäre was! Sich mal um sich selber kümmern, um den inneren Zustand. Undenkbar, geht nicht, weil es für Jaden keine Möglichkeit gibt in der Zeit. Eine Mutter-Kind- geht an deinen Bedürfnissen vorbei.

 

Therapie Angebote in den späten Abendstunden (oder nachts) wären schon eine prima Idee.

Oder sich mit anderen in ähnlicher Situation austauschen können.

 

Man muss sich ständig rechtfertigen. Man handelt als Mutter aus einem Gefühl heraus und weiß, dass ist jetzt für mein Kind genau das richtige und muss sich trotzdem rechtfertigen.

 

Das ist ganz, ganz furchtbar für mich. Man muss dann dagegen (gegen die Meinung der anderen, die ja auch meistens nur eine Meinung ist) auch noch kämpfen.“

 

Überforderung, Erschöpfung, Druck. Schlafmangel.

 

„Man will dem Kind gerecht werden, man will, das es nicht leidet, will ihm helfen, es so sein lassen können, wie es ist.

 

Aber was muss man sich da immer anhören, von allen möglichen Menschen gibt es Druck, Erwartungshaltungen, Vorgaben von X und Y die erfüllt werden sollen.

 

Das sind Kämpfe, die immer noch oben drauf kommen, von niemandem wird gesehen, wie es schon brennt und eher immer noch ein Feuerzeug hineingeworfen wird.

 

Ich habe mich nie belesen, habe immer versucht, aus dem Bauch heraus zu erziehen. Auf das eigene Gefühl zu hören und zu vertrauen. Wenn man das tut, wird man häufig abgestempelt. Das „macht man doch nicht so“.

 

Dieses zuballern, mit Terminen, Vereinen, Unterrichte, Therapien, das ist nicht meins.

 

Ich schaue auf das Kind. Das ist nicht mein Leben. Die sollen nicht mein Leben leben. Ich habe Glück, wenn ich ein Teil ihres Lebens sein darf.

 

Ich hoffe das bleibt so, aber ich will nachher am Ende sagen können, das ich jedem auf seine Weise gerecht geworden bin, jedem das, was er gebraucht hat, als Werkzeug mitgegeben für sein Leben.“

 

Dann schleicht sich ein kleines Schmunzeln in deine Mundwinkel, eine Erinnerung:

 

„Früher gab es eine Situation, da hatte er ein Bett zur „sicheren Aufbewahrung“.

 

Ich bin eines morgens rein und dachte schon, tief Luft holend „OK“. Es lag ein Duft in der Luft.

 

Hab dann das Licht angemacht. Im ersten Moment war ich mit Stolz erfüllt, über diese künstlerische Begabung, die mein Kind da hat… also mit dem Windelinhalt komplett das Bett, und – Schattenbilder sind nichts dagegen...bis mir einfiel:

 

das muss ja jemand wegmachen und ich bin Alleinerziehend.

 

In einer Nacht und Nebel Aktion heimlich umziehen schaffst du jetzt nicht (lach), also wirst du wohl oder übel….

 

Alles schön angetrocknet, Kind von oben bis unten „verziert“…

 

Ich war schon ein paar Stunden dabei. Da habe ich das noch mit absolutem Humor gesehen. Heute macht er es Gott sei Dank nicht mehr.“

 

Höre ich da etwa eine Spur Erleichterung? Heute kannst du darüber lachen. Herzlich.

 

Was für eine irre Geduld mit Jaden. Du beschreibst, dass die Geduldsschnur mit den Jahren aber kürzer wird, was nicht an Jaden liegt, sondern den ganzen äußeren Einflüssen.

 

Und sonst so... – mein Kaffee ist jedenfalls kalt, wenn ich überhaupt dazu komme, ihn zu trinken

 

Bei Jaden kommt letztes Jahr Diabetes dazu.

 

„Als das rauskam, war es bei mir vorbei. Einmal mehr diese Verantwortung, dass an mir was hängt, wovon sein Leben abhängt – ein überwältigender Gedanke. Jetzt ist das Maß endgültig voll!“

 

Es ist die Zeit, in der dein Vater im Sterben liegt.

 

Mittlerweile bekommst du auch das mit dem Spritzen gut hin! Was für eine Leistung!

 

Um die Osterzeit diesen Jahres hatte Jaden dann einen Anfall. Epilepsie? Es geht nach sorgfältiger Abwägung ins Krankenhaus: „Das sind immer die Momente, wo ich weiß, die nächsten Wochen werden heftig. Jaden begreift nicht, wo wir sind und was die mit ihm machen.

 

Seine Unsicherheit äußert er in Aggressivität.“ Es sollte ein Schlaf-Entzugs EEG gemacht werden. Ein einziger Kampf. Die Frage: „Was hast du da eigentlich gerade mit ihm gemacht...

 

Momente, in denen man nur denkt, man muss das irgendwie schaffen und sieht überhaupt nicht mehr, ob das wirklich notwendig ist. Statt „wenn es jetzt halt nicht geht, dann geht´s halt nicht!“

Diese Gedanken finden ihren Weg meist erst nach diesen Situationen in den eigenen Kopf.

 

Das Handy klingelt. Dein Freund. Die Verbindung komm nicht richtig zustande. Wir hören ihn rufen.

Es ist dann mehr ein Gefühl, als ein wirkliches Hören.

 

Jaden.

 

Ein Sprint zum Haus, das Handy fällt auf den Rasen, bleibt liegen.

 

Nichts ist jetzt wichtiger. Ich gehe langsam hinterher, hebe das Handy aus dem nassen Gras auf, bin ein wenig unsicher, ob ich was tun kann.

 

Ich sehe Jaden oben am Fenster. Geht ihm da gerade nicht gut, das kann ich von hier unten erkennen. Er scheint mich zu sehen. Ich winke ihm zu. Ein kurzer stiller Moment, ein Innehalten. Er winkt zurück. Dann verschwindet er aus meinem Sichtfeld.

 

Jaden kommt mit runter, ein kurzer Blick von ihm, dann klettert er auf das Trampolin.

 

Wir sprechen noch eine halbe Stunde, Jaden springt in der Zeit auf dem Trampolin, zu Musik, wird von Minute zu Minute wieder entspannter. Fröhlich. Lacht. Es beginnt zu regnen. Er hält sein Gesicht in den Regen und genießt. Unbeschwert.

 

Wir flachsen noch ein wenig herum, frei nach anfangs erwähntem Motto, da wo der Spaß aufhört, fängt der Humor an. Dann wird es nochmal kurz ernster.

 

Die Gedanken gehen zu einer Frage, die häufiger ungefragt um die Ecke kommt:

 

wie lange du das noch schaffst, mit Jaden hier Zuhause.

 

„Man muss schon so viele Träume aufgeben, Träume, die man für ihn hatte. Ja, irgendwann muss er wahrscheinlich weg von Zuhause, weil er zu groß, zu kräftig wird, zu einer Gefahr für die Familienmitglieder? Ich hoffe, dass er immer an die richtigen Menschen gerät.

 

ABER:

Keiner hat das Recht, mir das jetzt zu sagen. Jetzt ist es noch nicht soweit. Jetzt zerstört ihr damit nur noch mehr. Hoffnung. Die ich brauche für das jetzt. Ein „aber was ist wenn…“ ist nicht jetzt. Und das weiß doch eh niemand. Ich entscheide, wann ich nicht mehr kann. Noch muss ich mir keine Gedanken darüber machen.“

Noch ist jetzt JETZT!

 

Wir sind Kinder

und lieben das Leben.

Jeder Tag ist ein

Abenteuer.

 

Wir werden erwachsen

und kämpfen uns

durch das Leben.

Ja nicht kindlich sein!

Ab sofort immer

erwachsen agieren!

 

„Kindisch sein“ wird zu

einer Beleidigung,

einer Schwäche.

 

Wir sollten niemals aufhören

zu spielen,

niemals aufhören,

das Leben als ein Abenteuer

zu betrachten,

niemals aufhören

kindlich zu sein.

 

Ein Kind zu sein

bedeutet, lebendig zu sein,

Möglichkeiten zu sehen,

immer wieder aufzustehen,

immer ehrlich

zu uns selbst zu sein.

 

Wer das Kind in sich

wiederfindet,

findet auch die Möglichkeit,

den Zauber

in jedem kleinen

Moment zu erleben

und sich mit einem bunten Pflaster

auf den Wunden

auf ins nächste

Abenteuer zu stürzen.

 

Clara Louis

 

 

DANKE.

 

 

 

 

 

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